„Das Spiel der König“ von Thomas Spiekermann

Das Spiel der Könige von Thomas SpiekermannIn diesen schlimmen Zeiten mal was Schönes von unserem Schachfreund Thomas Spiekermann. Bekanntlich ist Thomas ja nicht nur ein talentierter Schachspieler sondern auch ein Philosoph! Gerne widmet er sich der Betrachtung verschiedener Dinge in Gedichtform. Hier ist es unser königliches Spiel, dass ihn inspiriert hat und es macht richtig Spaß es zu lesen…

 

 

Das Spiel der Könige

Es sitzen zwei, die Stirn in Falten,
an einem Tisch mit Uhr und halten
ein Treffen ab für tiefe Denker
und spieltriebstarke Schlachtenlenker.

Dazwischen stehen Holzfiguren
als schwarz und weiße Miniaturen
von Völkern, die aus welchen Gründen
auch immer sich im Krieg befinden.

Und wie bei Zwisten zwischen Reichen
kommt es wie üblich auch zu Leichen,
die jäh, nachdem den Tod sie fanden
in einer engen Kiste landen.

Die Spieler folgen Strategien,
nach denen sie die Steine ziehen
und hüllen sich im Zügereigen
bedeutungsschwer in tiefes Schweigen.

Man will den andern zwar zerstören,
doch soll er seinen Tod nicht hören.
Der Weiße täuscht, er trickst und heuchelt
gern Unschuld vor, bevor er meuchelt.

Dann zieht er plötzlich voller Tücke
mit fiesem Grinsen eins der Stücke.
Er ruft laut „Schach“ und will verschlagen
dem Gegnerkönig an den Kragen.

Der Schwarze ächzt. Streicht er die Segel?
Mitnichten! Er pocht auf die Regel:
„Dein Turm kann dieses Schach nicht geben!
Denn du hast deinen Läufer eben

zuerst berührt mit deinen Pfoten,
Drum ist das Turmschach jetzt verboten!“
Berührt, geführt! Die Regelwerke
sind jenseits jedes Spielers Stärke

die eisernen und manchmal kalten
Statuten, und die einzuhalten,
ist nicht nur Pflicht. Es ist die hehre
Voraussetzung der Spielerehre.

Doch statt den Turm zurückzunehmen
und sich zum Läufer zu bequemen,
verneint der Weiße sein Vergehen
und poltert: “Das war ein Versehen!

Dass ich den einen Stein berührte,
bevor ich meinen zweiten führte,
kannst du mir nicht, das ist zum Lachen,
mit vollem Ernst zum Vorwurf machen.

Dass du jetzt meckerst, stört mich wenig.
Es bleibt beim Schach! Schütz deinen König!“
Der andre tobt und schreit: „Mitnichten!
Du Tunichtgut der Spielerpflichten!

Willst du nicht bald den Läufer rücken,
muss ich dich mit der Faust beglücken
und statt dein „Schach!“ zu tolerieren,
dein Auge veilchenblau verzieren!“

„Das wagst du nicht!“ Der Regelbrecher
greift jäh vom Tisch den Kaffeebecher,
um seinen sturen Kontrahenten
mit Mitte Vierzig zu verrenten.

Die Faust schießt vor, doch auch die Tasse
trifft mit dem Schwung der Steingutmasse
nach treffgenauem Anvisieren
ihr Ziel, um dieses zu planieren.

K.o.! Die beiden Streiter wanken
und donnern schmerzvoll auf die Planken.
Der Tisch, er kippt. In hohem Bogen
kommt jäh das Brett herangeflogen

und knallt dem Regelwerkbanausen
aufs Haupt, wo die Synapsen hausen.
Der Schwarze grölt. Er wirkt fast manisch,
und steht kaum auf, da glotzt er panisch,

tritt mit dem rechten seiner Schuhe,
leicht schräg auf die Figurentruhe,
rutscht aus und knallt nochmal mit Krachen
voll aufs Parkett mit hundert Sachen.

Ihm dröhnt der Kopf, der Gegner wimmert,
weil sich sein Dröhnen auch verschlimmert.
Statt endlich langsam abzuklingen,
scheint es durch Mark und Bein zu dringen.

So liegen beide da und sehen
im Chaos ihrer Holzarmeen
so aus, als hätten sie begriffen:
Hat man beim Schach das Schwert geschliffen,

gilt dies auch bei Extremnaturen
des Jähzorns nur für die Figuren,
doch nicht für die, die diese führen,
und hinterlistig Zwietracht schüren.

Wenn zwei voll Wut, wie hier zu sehen,
wie Stiere in den Schachkampf gehen,
dann heißt das für die Antipoden
statt Kampf und Sieg leicht Hosenboden.

Es ist gewiss, die Schachspielregel
verlangt den Edlen, und der Flegel
mit Geifer, Zorn und lautem Fluchen,
der hat am Schachbrett nichts zu suchen.

Ein echter Kerl am Brett der Bretter
ist fair, korrekt und auch ein Netter,
und das gilt auch (trotz aller Dramen)
für alle schachaffinen Damen.

Sollst du um deinen König zittern,
dann nur vor wahrhaft edlen Rittern
und nicht vor bösen Brettgenossen
mit üblen Spielverderber-Possen.

Musst du auch mal mit schrägen Käuzen
beim Schachspiel deine Klingen kreuzen,
dann braucht’s zur Fairness oft nicht wenig,
doch krönt sie dich zum zweiten König.

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